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Publish date: 2023-05-21 05:26:01
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Es ist eines der großen Versprechen der Ampel-Regierung: „Vier bis fünf Windräder täglich“ hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (64, SPD) in BamS angekündigt. Doch der Ausbau stockt gewaltig, und das liegt auch an einem wahren Bürokratie-Monster im Genehmigungsprozess.
Bis der Bau eines Windrades tatsächlich genehmigt ist, können aktuell gut und gerne sieben Jahre mit Umweltprüfungen, Artenschutz und Lärmbedenken vergehen.
Ist das endlich geschafft, beginnt nach BamS-Recherchen noch einmal ein ganz eigener Bürokratie-Irrsinn. Und der betrifft die Straße.
Denn: Um ein Windrad aufzustellen, müssen die riesigen Rotorblätter, der riesige Generator und die riesigen Turmsegmente erst mal von Häfen an Nord- und Ostsee zur Baustelle transportiert werden. 150 Genehmigungen braucht es für den Transport der Bauteile – pro Windrad!
Die für viele Transportrouten zuständige Autobahn GmbH kommt mit der Flut an Anträgen offenbar nicht mehr hinterher. 15 000 Anträge auf Genehmigungen für Schwerlasttransporte liegen laut Branchen-Kreisen derzeit unbearbeitet bei der Autobahn GmbH für Nordwestdeutschland.
► Unfassbar: Bis Juli sollen in der wichtigsten Wind-Region des Landes (siehe Deutschland-Grafik unten links) keine Anträge mehr angenommen werden.
In der Branche sorgt das für mächtig Unmut. Antje Eckert, Vize-Chefin von Windrad-Branchenführer Nordex, beschwert sich in BamS, dass „Engpässe im Verfahren für starke Verzögerungen von Transporten“ sorgen. Die Genehmigungsprozesse für genehmigungspflichtige Transporte seien hierzulande ohnehin schon lang: „Sechs bis zwölf Wochen dauert es bis zur Transportgenehmigung.“
Zum Vergleich: In den Niederlanden dauert es vier bis fünf Werktage.
Eine Windrad-Baustelle bei Velbert (Nordrhein-Westfalen)
Infrastruktur-Probleme verursachen Umwege und Kosten
Dazu kommen Infrastruktur-Probleme, die für Umwege, hohe Kosten und lange Verzögerungen sorgen. Eckert fordert deshalb „eine dringend nötige Vereinfachung und Digitalisierung der Genehmigungsprozesse“.
Holger Lösch, Energie-Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), warnt in BamS, dass „massive Personalmängel bei den Behörden für immer größere Planungsunsicherheit in den Unternehmen sorgen“.
Niemand könne abschätzen, wann der Transportbescheid kommt oder welche Kosten entstehen: „Keine einheitlichen Vorgaben für die Bearbeitung von Genehmigungen, sondern unterschiedlichste Auslegungen von Vorschriften machen den Unternehmen das Leben schwer.“ Die Behörden seien chronisch überlastet.
► Löschs vernichtendes Urteil: „Infrastruktur und Administration genügen den Anforderungen immer weniger, während Kosten und Komplexität immer größer werden.“
In der Bundesregierung ist das Problem zumindest bekannt. Das für den Windkraftausbau zuständige Wirtschaftsministerium kritisiert, dass „komplexe und regional unterschiedliche Genehmigungsprozesse für Großraum- und Schwertransporte“ nicht nur zu großen Verzögerungen, sondern auch zu massiven Kostensteigerungen und Unsicherheiten in der Projektplanung führen.
Für die Straße zuständig ist allerdings das Bundesverkehrsministerium, und das räumt auf Anfrage ein, dass es in der Niederlassung Nordwest zu einem „Rückstau bei der Antragsbearbeitung“ gekommen sei.
Gründe hierfür seien das komplexe Genehmigungsverfahren im Bereich der Niederlassung Nordwest (ist für mehrere Bundesländer zuständig) und die massiv gestiegenen Antragszahlen.
► Oliver Luksic (43), Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium, kündigt in BamS an, dass Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt werden sollen, „ohne Abstriche bei der Sicherheit und dem Schutz unserer Infrastrukturen zu machen“.
Gemeinsam mit der Autobahn GmbH setze man auf eine Vereinheitlichung und Vereinfachung der Prozesse. Erleichterungen wie weniger Begleitfahrzeuge, Tages- und Nachtfahrten sowie Dauergenehmigungen seien geplant.
So viele Räder haben die Länder dieses Jahr schon gebaut
Land | Anzahl |
---|---|
Baden-Württemberg | 5 |
Bayern | 5 |
Berlin | 0 |
Brandenburg | 17 |
Bremen | 0 |
Hamburg | 0 |
Hessen | 5 |
Mecklenburg-Vorpommern | 10 |
Niedersachsen | 22 |
Nordrhein-Westfalen | 14 |
Rheinland-Pfalz | 11 |
Saarland | 0 |
Sachsen | 0 |
Sachsen-Anhalt | 4 |
Schleswig-Holstein | 35 |
Thüringen | 0 |
Die Zeit drängt
Doch Luksic weiß: Die Zeit drängt. Laut dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist eine Verdreifachung des Windkraft-Ausbau-Tempos geplant, obwohl die Ampel es noch nicht einmal schafft, ihre aktuellen Ziele zu erfüllen. Statt der vom Kanzler versprochenen „vier bis fünf“ Windräder täglich werden aktuell jeden Tag im Schnitt nur 1,5 Windräder gebaut. Schon damit sind die Behörden völlig überfordert.
Und jetzt soll die Verdreifachung der Genehmigungen, Transporte und Flächen her. Holger Dechant, Chef des größten deutschen Schwertransportunternehmens Universal Transport, zu BamS: „Das kann nicht funktionieren.“
So sieht es aus, wenn ein einziges Rotorblatt zur Windrad-Baustelle transportiert wird
„Wir brauchen ein Anti-Antragsstau-Paket von Bund und Ländern mit Beschleunigung, Vereinheitlichung und Digitalisierung“, fordert CDU-Vize Andreas Jung (48) in BamS. Sonst werde die Energiewende ausgebremst.
Gitta Connemann (59), Mittelstands-Chefin der Union, ergänzt: „Der Standort Deutschland leidet, weil die Ampel komplett auf die Karte der erneuerbaren Energien setzt – aber nicht die notwendigen Voraussetzungen für deren Ausbau schafft. Jede Woche rücken die Ausbauziele ein Stück weiter in die Ferne.“
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