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Publish date: 2023-05-24 08:00:31
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Leipzig (Sachsen) – Übervolle Notaufnahmen, überlastete Ärzte und lange Fahrten sind im Ernstfall jetzt schon Alltag, nicht nur in Sachsen. Doch nun plant Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (60, SPD) eine neue Krankenhausreform. Laut Ministeriums-Entwurf sollen allein im Freistaat 31 von 91 Kliniken auf Ambulanz-Niveau runtergestuft werden. Dr. Jörg Böhme (53) vom Städtischen Klinikum St. Georg in Leipzig erklärt, was das im Klinik-Alltag für gravierende Konsequenzen hätte.
Böhme, Chefarzt an der Klinik für Unfallchirurgie und Leiter des Zentrums für Notfallmedizin am St. Georg, warnt: „Wir können nur hoffen, dass Lauterbach damit nicht durch kommt. Es wird sonst viele Verlierer geben.“
Die Lauterbach-Pläne beinhalten ein Stufensystem – abhängig davon, welche Versorgungen vor Ort geleistet werden dürfen. Basisnotfallversorgung, erweiterte Notfallversorgung, umfassende Notfallversorgung, Hubschrauberlandestelle, Anzahl der Intensivbetten – all das spielt in die Einteilung mit rein.
„Das werden viele Häuser nicht überleben!“
Dr. Jörg Böhme: „Die Unikliniken zum Beispiel dürfen dann weiterhin alle Patienten versorgen, sollen sogar eine leitende Rolle in der Patientenverteilung bekommen. Die Kleinen verlieren aber ihren Krankenhausstatus.“
► Werden sie sogar zu sogenannten „Level 1i“-Häusern degradiert, sind sie nur noch Ambulanzen, wo gepflegt, aber nicht operiert werden darf. Der Arzt: „Das ist auch ein wirtschaftliches Problem! Das werden viele Häuser nicht überleben.“

In den Maximalversorgern, wie den Unikliniken in Dresden und Leipzig, aber auch im Städtischen Klinikum Chemnitz oder im Leipziger St. Georg werden dann die schweren Fälle behandelt – die in der Abrechnung auch lukrativ sind. Standorten wie etwa Grimma oder Wurzen droht nach BILD-Informationen die Degradierung.
Unfallopfer aus ländlichen Gebieten müssten dann weit transportiert werden. Dr. Jörg Böhme: „Es droht Chaos. Anfahrten von 30 Minuten werden dann keine Seltenheit sein.“
Neues Personalkonzept benötigt!
Schon jetzt müssen am Städtischen Klinikum St. Georg 32 Prozent der Notaufnahme-Patienten auch im Krankenhaus bleiben. Hochrechnungen zeigen: bis 2030 verdoppelt sich der Bedarf der Notversorgung, unabhängig von der Strukturreform.
Der Notmediziner: „Auch personell müsste überall komplett neu geplant werden. In den sogenannten Ambulanzen braucht man dann aber keine Ärzte mehr, aber Pflegepersonal, was überall knapp ist.“
Die Wahrheit sei aber auch noch eine andere. „Ich gehe auch davon aus, dass etliche Klinikbetreiber die Lauterbach-Reform als Feigenblatt benutzen werden, um Häuser ganz zu schließen, die jetzt schon starke wirtschaftliche Probleme haben“, fürchtet Dr. Jörg Böhme und spricht aus, was das Personal an vielen Standorten bereits befürchtet.

Derzeit werde intensiv diskutiert, ob die Idee des Bundesgesundheitsministers sogar verfassungswidrig ist und Ländersache bleiben muss, so Friedrich München, Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Sachsen.
„Aufgrund von engen Strukturvoraussetzungen und Entfernungsvorgaben müssten sich 52 Prozent der Schwangeren ein neues Krankenhaus suchen, da die derzeit versorgenden Kliniken nach den Reformvorschlägen keine Geburtshilfen mehr durchführen könnten. Ähnlich sieht es in den Bereichen Urologie, Kardiologie und Neurologie aus“, warnt der Experte.
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